In seinen berühmten Scheibenbildern der 1950er Jahre fand Ernst Wilhelm Nay (1902 Berlin – 1968 Köln) eine Antwort auf die Frage, wie die Farbe den flachen Raum des Bildes ohne jede perspektivische Illusion aktivieren kann. Davon ausgehend gelangte der Künstler in seinem Spätwerk zu einem stark vereinfachten Nebeneinander klar begrenzter Farbflächen. Zu Lebzeiten fand er wenig Anerkennung für diesen künstlerischen Schritt. Aus heutiger Sicht stellt dieser einen der Höhepunkte seines Werks dar.
Schwarz-Grün fasst alle Komponenten der späten Arbeiten mustergültig zusammen. Auf dem leuchtend weißen Bildgrund stehen sich präzise ausbalanciert zwei angeschnittene, mehrfach durchbrochene Vertikalformen gegenüber. Die linke schwarze Form scheint die grüne Form nahezu zu umarmen, wird dabei aber gewissermaßen durch den Bildrand gestoppt, sodass sich ein Teil des Geschehens außerhalb des Bildes abspielt. Zugleich entwickelt sich zwischen dem Bildgrund und den Farbformen ein permanentes Positiv-Negativ-Spiel, durch das sich Bildmotiv und Bildgrund unauflöslich ineinander verschränken und zu einer einzigen „Gestaltfläche“ verschmelzen.