Gerhard Richter (*1932 in Dresden) zählt zu den bedeutendsten Vertreter:innen des Fotorealismus. Gebannt starren wir auf seine Bilder und fragen uns, ob wir ein Foto oder ein täuschend realistisches Gemälde betrachten. Das Moment der Unschärfe verstärkt diese Verwirrung, fordert uns heraus, noch einmal genauer hinzuschauen, vielleicht blinzeln wir sogar ein paar Mal schnell, um den Blick wieder scharf zu stellen. Doch die Barriere bleibt, hinter der wir diese andere Realität nicht in Gänze erfassen.
Die Vorhänge der 1960er Jahre machen es uns besonders schwer, indem nicht nur sie selbst unscharf dargestellt sind, sondern auch den Blick auf das Dahinterliegende verweigern. Die hier buchstäbliche Verhüllung lässt sich im metaphorischen Sinne auf andere Motive Richters übertragen, etwa den RAF-Zyklus: Was ist offensichtlich, was verborgen? Was soll für unsere Augen verschleiert werden? Sie ist zugleich ein selbstreflexives Problem der Malerei:
„Die Türen, Vorhänge, Oberflächenbilder, Scheiben usw. sind vielleicht Gleichnisse einer Verzweiflung über das Dilemma, dass zwar unser Sehen uns die Dinge erkennen lässt, dass es aber gleichzeitig die Erkenntnis der Wirklichkeit begrenzt und partiell unmöglich macht.“
Gerhard Richter. Text 1961 bis 2007. Schriften, Interviews, Briefe, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2008, S. 57