Das Marmorobjekt Fragments of NOF4 wirkt zunächst weniger wie eine Kunstinstallation als vielmehr wie eine klassische mamorne Sitzbank, die zum Verweilen einlädt und über viele Jahre mit Markierungen übersät wurde. Ein wildes Muster aus Ritzungen und Kratzern überzieht den gesamten vielfarbigen Emperador-Marmor. Einzelne Wörter und Textfragmente bilden eine erste Schicht, die von Bildern und Mustern überlagert wird. Das gesprochene Wort tritt hinter Vorstellungen und Bildern zurück. Jedoch ist die Bank kein historisches Relikt, sondern ein Kunstwerk der jüngsten Vergangenheit von Sannon Bool (*1972 in Comox).
Der Titel weist darauf hin, dass das vermeintlich spontan hineingekratzte Muster nicht willkürlich oder intuitiv entstanden ist, sondern eine konkrete Vorlage hat, nämlich eines der berühmtesten Werke der sogenannten „Outsider Art“, ein 70 Meter langer Fries in der psychiatrischen Anstalt von Volterra (Italien). Der Patient Oreste Fernando Nannetti hat ihn dort zwischen 1959 und 1972 mit seiner Gürtelschnalle gefertigt. „NOF4“ war die Signatur dieses Art Brut-Künstlers, dem schon als Kind jegliche Zurechnungsfähigkeit abgesprochen worden war.
Während Zeichnung gemeinhin als die spontanste und unmittelbarste künstlerische Äußerung gilt, schafft Shannon Bools planvolles Vorgehen eine reizvolle Ambivalenz. Fragments of NOF4 erlaubt physisch greifbaren, aber auf ausgewählte Fragmente beschränkten Zugang zur Gedankenwelt Nannettis und hinterfragt damit zugleich Kategorien wie Kunst, Genie und Wahnsinn.