Während ihres Aufenthaltes am Thuner See besuchten August Macke (1887 Meschede – 1914 Perthes-les-Hurlus) und sein Frau Elisabeth im Herbst 1913 auf dem Thuner Marktplatz eine abendliche Zirkusveranstaltung. Macke hat das Erlebnis in vielen Zeichnungen und Bildern verarbeitet. Mit dem Gemälde Seiltänzer ist 1914 eine endgültige Formulierung des Themas entstanden. Zu sehen sind der Seiltänzer vor nächtlichem Himmel, Häuser, Menschen, Farben und Licht. Es handelt sich um eine überlegte Bildkomposition aus einfachen und abstrahierten Farbformen. Gerade durch die souveräne Anwendung autonomer gestalterischer Mittel gelangt Macke zu einem Bild, das den Reichtum des Lebens intensiv erfahren lässt. Verschiedene Formen rahmen das Bild und gewähren Einblick in einen inneren Bezirk, den die Betrachter:innen zusammen mit den Gestalten im Vordergrund betreten. Der Seiltänzer, zentral und doch nicht Mittelpunkt des Bildes, ist in den Organismus aus Farbfeldern eingebunden. In ihm identifiziert Macke auch seine Rolle als Künstler. Der Seiltänzer, ebenso ein Artist wie der Künstler, muss sein Gleichgewicht halten, der Maler versucht, die unterschiedlichen Elemente des Bildes in einer dynamischen Harmonie zusammenzuführen.